Am letzten Spieltag der Gruppe G ging es für Deutschland auf dem Papier noch ums Weiterkommen und den Gruppensieg. Der verdiente 1:0-Erfolg gegen Klinsmanns USA wurde durch die Rückkehr zu defensiver Sicherheit und ein endlich mal schönes Müller-Tor sichergestellt. Schweinsteiger und Podolski standen zum ersten Mal seit 16 Länderspielen wieder gemeinsam in der Startelf, letzterer allerdings nur eine Halbzeit. Dafür fand Löw eine Antwort auf einen alten Vorwurf. Das fiel auf:
1. Defensive Sicherheit vs. offensive Durchschlagskraft
Schönen Fußball zu spielen, den aber nicht versilbern zu können – was das ewige Schicksal der Niederlande zu sein schien, wurde in den Jahren unter Jogi Löw mehr und mehr zum fußballdeutschen Markenzeichen. Zumindest meinten das einige unüberhörbare Kritiker, die im selben Atemzug eine Rückkehr zu den „deutschen“ Tugenden forderten.
Ob Löws vier Innenverteidiger die Antwort darauf sind, ist schwer zu sagen. Dennoch: Es wirkt. Erstmals seit dem 8:0 gegen Saudi-Arabien 2002 musste ein deutscher Torhüter bei einer WM keinen Schuss abwehren – bis auf zwei Chancen der Amerikaner kurz vor Abpfiff funktionierte die Defensive einwandfrei. Das hing nicht nur mit dem verbesserten Pressing zusammen, sondern vor allem mit dem Spielaufbau, der deutlich sicherer vonstatten ging als gegen Ghana. Folgerichtig stellte man auch die Bestmarke für gespielte und abgeschlossene Pässe bei diesem Turnier auf.
Diese in Torgefahr umzumünzen fiel der Mannschaft jedoch schwer. „Hinten sicher stehen und vorne sind wir immer für ein Tor gut“ scheint die neue Marschroute zu sein, die ein 1:0 wieder höher bewertet als ein 4:3. So positiv das defensiv sichere Grundgerüst auch sein mag, die richtige Balance scheint der Bundestrainer noch nicht gefunden zu haben. Die offensiven Außen waren fast nicht ins Spiel eingebunden, Podolski folgerichtig zur Halbzeit draußen, Özil weitestgehend unsichtbar. Während Boateng durch Läufe und teilweise gute Flanken die Offensive passabel unterstützt, ist Höwedes in dieser Hinsicht keine große Hilfe. Eine Alternative zu testen, hat der Bundestrainer auch in diesem Spiel verpasst, weshalb davon auszugehen ist, dass er nichts daran ändern will. Ob das durch die KO-Spiele trägt, wird man sehen.
2. Schweinsteiger vs. Khedira, Schürrle vs. Özil
Heute sah man einmal mehr, welche Präsenz der vielfach totgeschriebene Schweinsteiger im Mittelfeld besitzt. Wie ein Magnet zog er die Bälle an, wie ein Metronom verteilte er sie weiter, verwickelte den Gegner in unangenehme Zweikämpfe und ordnete das Spiel seiner Mannschaft. Gleichzeitig präsentierte er der Fußballwelt gemeinsam mit Lahm und Kroos, dass der Ballbesitzfußball keineswegs tot ist.
Das Plus an Spielkontrolle, das er der Mannschaft gab, dürfte ihm auch in den nächsten Spielen den Vorzug vor Khedira geben, der in der Ballzirkulation demgegenüber teils deutlich abfällt. Dabei dürfte die Komposition des zentralen Mittelfeld aber auch von den offensiven Drei abhängen. Nach den Eindrücken der Vorrunde dürfte Götze die Nase deutlich vor Podolski haben, Müller ist ohnehin gesetzt und auf Özil scheint Löw nicht verzichten zu wollen, obwohl dieser seine Stärken beim letzten Pass selten einbringen konnte. Ein abschlussorientierterer und direkterer Spieler wie Schürrle wäre hier eine naheliegende Alternative; nicht nur als Joker.
Egal wie: Ein fitter Schweinsteiger wird immer einen Platz in der Mannschaft haben. Dass er auf dem Weg dahin ist, hat er heute unter Beweis gestellt.
3. KO-Spiel-Perspektive
Im Achtelfinale wartet Algerien, die man mit einer konzentrierten Leistung problemlos aus dem Weg räumen sollte. Die Betonung liegt auf konzentriert: Ein Spaziergang wird es nicht. Die Algerier stellen sowas wie einen deutschen Angstgegner dar; zwei Mal traf man aufeinander, zwei Mal gingen die deutschen mit leeren Händen vom Platz.
Danach kommt es dann knüppeldick: In Frankreich wartet mutmaßlich die bislang überzeugendste Nation des Turniers, die vor allem durch geschlossene Mannschaftsleistungen und eine flexible Offensive um Stürmerstar Benzema zu überzeugen wusste. Da das französische Spiel auch defensiv durchaus stabil ist, darf man getrost von einem (Mit-)Favoriten auf den Titel sprechen.
Doch bis dahin, ist noch eine Woche hin – und wir denken ja nur von Spiel zu Spiel, nech?
Bild: Nathan Forget [CC-BY-2.0]
Gerade in der ersten Halbzeit hat Deutschland es oft mit diagonalen Spielverlagerungen auf die Außenstürmer versucht. Da die Ballannahme bei Podolski hier gefühlt nie geklappt hat, hat es nicht wirklich funktioniert. Generell hatte ich den Eindruck, dass Deutschland es zunächst viel über die Außen probiert hat. Das hätte mit echten Außenverteidigern vielleicht auch besser geklappt, aber natürlich kann Löw nicht so einfach hin und her wechseln. Generell gefällt mir das Setup mit vier IV gut, weil es defensive Stabilität bei Standards bringt und das laufintensive Spiel eines klassischen AV sowieso nicht 90min durchgehalten werden kann.