Fluch oder Segen? 2:2 gegen Ghana.

Im zweiten Gruppenspiel tut sich die deutsche Mannschaft fast schon traditionell schwer und müht sich gegen Ghana zu einem leistungsgerechten 2:2-Unentschieden. Chancen auf beiden Seiten hielten das Spiel lange offen. Eine falsche und eine richtige Neun treffen für Deutschland, letztere sichert sich damit endgültig einen goldenen Platz in der WM-Geschichte. Taktikfragen, der ewige Miro und Favoritenrollen das fiel auf:

1. Taktikfragen

Jogi Löw vertraute gegen Ghana auf dieselbe Elf wie gegen Portugal, sprich: vier Innenverteidiger hinten, Lahm auf der Sechs und vorne The Umlauts Götze, Müller, Özil. Dennoch – oder eher: deshalb – entwickelte sich ein völlig anderes Spiel. Deutschland konnte sich ein paar kleinere Abschlusschancen durch Hereingaben erspielen, während Ghana vor allem über Konter gefährlich war.

Das 1:0 fiel durch eine starke Flanke von Müller, die Götze … nunja … einköpfte. Ein Tor wie es falscheneuner nicht sein könnte: Augen zugekrampft, Ball prallt vom Kopf ans Knie ins Tor. Glück gehabt, das nächste Mal aber bitte in den Fuß. Die Haare, Sie verstehen.

Generell schien das deutsche Spiel etwas zweispältig: Einerseits zu vertikal für Ballbesitzspiel, andererseits nicht konsequent genug für Umschaltspiel. So kam es zwischenzeitlich immer mal wieder zu Phasen offenen Schlagabtauschs, der eigentlich vermieden werden sollte und in denen die physisch ernorm starken Ghanaer den besseren Eindruck machten. Bei besserem Ausspielen ihrer Überzahlkonter wäre ein Sieg greifbar gewesen.

Im Übrigen fiel der Ausgleich wie der Führungstreffer kurz nachdem Tom Bartels verkündet hatte, dass eine Gesetzmäßigkeit dieser WM, nämlich gedrehte Spiele, auf Deutschland nicht zutreffen würde. Aufgrund der Hitze und der vier Innenverteidiger (Merte übrigens mit 100. DFB-Spiel!) und weil nur andere vom Rauchen Lungenkrebs kriegen. Sie verstehen.

Ist der ominöse „Fluch des zweiten Spiels“ jetzt besiegt? Be-unentschiedent? Oder ist es gar ein Segen? Weil man nicht in einen gefährlichen Hurra-Rausch gerät, sondern frühzeitig unter Nicht-KO-Bedingungen ein wenig schauen kann, was bei Rückstand passiert? Welche Optionen man ziehen kann? Ich tendiere zu zweiterem. Zumal Ghanas unbändige Physis phasenweise kaum zu kontrollieren war und ein ähnlicher Gegner wohl nicht mehr kommt.

2. Der ewige Miro

Beim Stand von 1:2 wechselte Löw den Veteranen ein: Miroslav Klose, 36. Zwei Minuten später klingelt’s und Klose zeigt seinen Salto. Dieser wiederum zeigt: dass Klose nicht mehr der jüngste ist. Doch nichts könnte bedeutungsloser sein, denn (spätestens) mit diesem Treffer spielt die Kategorie Alter keine Rolle mehr für Miro Klose – er hat sich unsterblich gemacht. Nach Pelé und Uwe Seeler ist er der erste Spieler, der bei vier Weltmeisterschaften (2002, 2006, 2010, 2014) getroffen hat und – wichtiger noch: er hat Ronaldos Rekord von 15 WM-Treffern eingestellt.

Wie auch beim Knacken des Gerd-Müller-Rekords als Spieler mit den meisten Länderspieltoren für den DFB gilt: Nicht seine Trefferquote ist bemerkenswert, es ist seine Ausdauer und Konstanz, mit der er seit zwölf Jahren auf einem Niveau spielt, die seine Nominierung und Aufstellung durch den Bundestrainer jedes Mal aufs Neue rechtfertigt; es ist seine Professionalität mit der er seinen Körper für solche Leistungen in Schuss hält und seine zurückhaltende Art, mit der er sich in den Dienst einer Mannschaft stellt, deren Angriffe er abschließen darf. Dass er diesen Rekord mit 36 Jahren holt, ist kein Zufall – es sagt vieles aus über den Spieler Miroslav Klose.

3. Favoritenrollen

Nach Spaniens überraschendem Aus steht fest: Es wird einen neuen Weltmeister geben. Brasiliens wenig überzeugende Auftritte haben der Seleção erstmal die Pole Position entzogen; ähnliches gilt für Italien und Argentinien. Bei Holland steht ein Fragezeichen hinter der Konstanz, Chile hingegen hat sich nachdrücklich in den Favoritenkreis gespielt. Bleiben noch Deutschland – und Frankreich. Les Bleus wusste als bislang einzige Mannschaft in beiden Spielen zu überzeugen, das Team wirkt geschlossen und konzentriert. Qualifizieren sich beide erwartungsgemäß als Gruppenerste, könnte es bereits im Viertelfinale zum Nachbarschaftsduell Deutschland-Frankreich kommen. Bei der aktuellen Gemengelage (Costa Rica!) ist auch eine Außenseiter-WM wie 2002 noch nicht vom Tisch. Es bleibt spannend.

 

Bild: Michael Kranewitter [CC3.0]

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