Während der journalistischen Nachlese zum Wechsel von Mesut Özil zum FC Arsenal fiel dem interessierten Fußballfan auf SPON ein Zusammenschnitt von verschiedenen Pressestimmen in die Hände. Bereits die erste dort zitierte Schlagzeile konnte einem ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern:
„Arsenal holt den deutschen Messi.“
Dass diese Aussage von der Sun kam, verwundert natürlich nicht, ist die Sun doch für ihre reißerischen Aufmachungen hinlänglich bekannt. Mir fiel sofort der letzte „deutsche Messi“ ein, der auf der Insel für „Furore“ sorgte: Marko Marin. Eine Saison ist seit dem Wechsel des mittlerweile für den FC Sevilla spielenden Mittelfeldmannes zu Chelsea vergangen, obgleich die mediale Abwesenheit des Ex-Werderaners den Eindruck vermittelt, es lägen mehrere Jahre dazwischen.
Marin, Mesut, Messi
In zwei aufeinanderfolgenden Saisons wechseln zwei (sic!) deutsche Messis zu zwei Londoner Spitzenvereinen, die zweifelsohne zu den besten in Europa gehören? Als Anhänger des deutschen Fußballs sollte der Gedanke wahre Freudenstürme auslösen. Das tut er aber nicht. Woran das liegt? Die Frage ist einfach zu beantworten: Weder Özil noch Marin (versprochen: die letzte Erwähnung in diesem Artikel) haben auch nur im Ansatz das Potential eines Lionel Messi vorzuweisen. Es gibt nichts, was einen Vergleich zwischen Özil und Messi rechtfertigen würde, außer der Tatsache, dass sie bei den beiden besten Vereinen in Spanien in Fußballschuhe schnür(t)en. Und sonst? Gut, zugegeben, der fehlende Erfolg mit den jeweiligen Nationalmannschaften ist ebenfalls eine große Gemeinsamkeit, aber dazu später mehr. Das war es allerdings auch schon.
Özil ist wohl einer der überbewertesten Spieler Europas. Ein Absatz aus einem FAZ-Artikel von Paul Ingendaay, der sich dem Fußballer Özil widmet, soll an dieser Stelle zitiert werden. Treffender kann man den Fußballer Mesut Özil nicht umschreiben:
„Doch während die Fans ihn liebten und ihm seine Verschnaufpausen auf dem Platz verziehen, pendelte sich das allgemeine Özil-Image bei einem Unentschieden mit Grautönen ein: Er tauche zu oft ab, monierte die Sportpresse, er sei kein Matchwinner, habe nicht den nötigen Biss. Sein früherer Trainer José Mourinho schien dieses Bild zu bestätigen, als er den ehemaligen Bremer bei den hochdramatischen Clásicos gegen den FC Barcelona öfter auf der Bank ließ. Und es stimmt, Özil hat keines von Reals „Schicksalsspielen“ der letzten drei Jahre geprägt, weder die gewonnenen noch die verlorenen, kaum ein „big point“ ist zu vermelden. In Erinnerung bleiben Dribblings, Pirouetten und Zuspiele von atemnehmender Eleganz: Stoff für Träume, aber nicht für Pokale.“
Man kann diese Darstellung von Ingendaay auch auf die Einsätze Özils in der deutschen Nationalmannschaft ausdehnen. Wann war Özil in den entscheidenden Spielen der DFB-Elf seit seinem internationalen Durchbruch 2010 die prägende Figur auf dem Feld? Zeigt er etwa gegen Spanien bei der WM in Südafrika oder gegen Italien bei der EM im letzten Jahr Leistungen, die seinem Anspruch genügen? Von Özil war nicht viel zu sehen. Der beste Mann ist er meistens nur gegen die „Spitzenmannschaften“ von den Färöern, Österreich oder Irland. Dennoch genießt der Deutsch-Türke höchstes Ansehen bei Fans und Presse. Selbst der Wechsel zu Arsenal wird von den meisten Beobachtern nicht (sic!) als sportlicher Rückschritt angesehen. Doch ist er das nicht auch?
Arsenal und das gehobene Mittelmaß
Wenden wir uns zunächst kurz Özils neuem Club zu. Der FC Arsenal: einst das Aushängeschild des attraktiven und erfolgreichen Fußballs in Europa. Unter Trainer Arsène Wenger entwickelte der Londoner Club einen unverwechselbaren Angriffsstil, der immer mit den Namen Henry, Pires, Vieira, Cole oder Bergkamp verbunden sein wird. Und im Jahr 2013? Anstatt die aufreibende Sommerwechselperiode für eine Verstärkung und qualitative Verbreiterung des Kaders zu nutzen, verpflichteten die Gunners mit Matthieu Flamini und Emiliano Viviano zwei Spieler, deren Leistungen in der vergangenen Saison mit „Durchschnitt“ noch als Lob verstanden werden können. Von den zurückgekehrten Leihspielern soll an dieser Stelle ganz lieber geschwiegen werden (man denke an einen gewissen Nicklas B.). Diese treffen auf einen Kader, der – milde gesagt – gehobenes Mittelmaß darstellt. Angefangen bei der Abwehr (Mertesacker, Sagna oder Koscielny), über das Mittelfeld (Rosicky, Arteta, Diaby) bis hin zum Sturm (Podolski und Giroud) besteht die Mannschaft aus guten, aber keineswegs überragenden Fußballern. Ausnahme dabei bilden der junge Jack Wilshere, der Spanier Santi Cazorla und der quirlige Theo Walcott. Diese drei sind die einzigen Spieler, deren Leistungen als internationale Klasse anzusehen sind. Was will also der „deutsche Messi“ bei einem solchen Verein? Es findet sich eine verblüffend einfache Antwort auf diese Frage: seine Ruhe. Der unaufgeregte Özil fügt sich perfekt in das Anforderungsprofil Wengers: jung, technisch stark, teamfähig und unkompliziert. Darüber hinaus entwicklungsfähig.
Also ist der Wechsel doch für alle Seiten ein Gewinn? Man kann es natürlich so auslegen. Nur eines ist sicher: Arsenal wird durch die Verpflichtung nicht an die erfolgreichen Zeiten zu Beginn des Jahrtausends anknüpfen können. Diese scheinen lange her und verblassen so langsam in den Erinnerungen der Fußball-Fans. Zurück bleibt das Bild einer Mannschaft, die zwar jung und talentiert, aber nicht erfolgreich ist. Eine Mannschaft, die nie ihre Leistung bringt, wenn es von ihr verlangt ist. So gewannen die Gunners in der letzten Saison kein Spiel gegen die beiden Mannschaften aus Manchester, Chelsea oder Liverpool. Der Gewinn des Pokals oder gar der Meisterschaft liegt lange zurück. In den letzten Jahren ging es nur noch um die Qualifikation für die Champions League. Mehr erwartet man nicht mehr von den Gunners.
Gleich und gleich gesellt sich gern
In diese Mannschaft fügt sich ein Spieler wie Özil perfekt ein. Er ist kein Leader, keiner der vorangeht, wenn es von ihm verlangt wird. Das hat Özil schon zu oft bewiesen. Doch genau ein solcher Spieler fehlt der Mannschaft von Wenger; der Wechsel von Özil ändert an diesem Missstand nichts. Die Spieler in Wengers Kader sind zu brav, zu bescheiden und scheuen die Konflikte. Für Charakterköpfe scheint in dieser Mannschaft kein Platz (mehr) zu sein. Spieler, die untertauchen und nicht in der Lage sind, über den eigenen Leistungsstand hinaus zu arbeiten, stehen in den letzten Jahren bei der Transferpolitik der Gunners hoch im Kurs. Die Verpflichtung von Mesut Özil, auch wenn er über 50 Millionen Euro gekostet hat, fügt sich nahtlos in dieses Bild ein. Im Emirates-Stadium, wo das Spektakel mehr als der Erfolg geliebt wird, begrüßt man Özil mit Handkuss. Dort werden seine Showeinlagen und seine Ballverliebtheit die Bühne finden, die er zum Glücklichsein benötigt.
Ob er allerdings mit der Härte der Gegenspieler und dem strengen Spielplan der Premier League zurechtkommen wird, bleibt offen. Das Niveau, das ihn auf der Insel erwartet, wird ein höheres sein als er in Spanien gewohnt war. Das passte zum Stil eines Özil. In England dagegen weht ein rauerer Wind. Der Schönwetter-Fußballer wird sich zwangsläufig umstellen müssen. Doch er hat sich mit Arsenal einer Mannschaft angeschlossen, die seinen Wünschen entspricht: Schönwetter-Fußballer trifft auf Schönwetter-Mannschaft. Da scheinen sich zwei gefunden zu haben …
Zweikampf um Özil: Tery kommt in seinem Artikel zum Fazit Weltklasse!
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Bild: Von Ronnie Macdonald unter Creative Commons 2.0 veröffentlicht.
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