Der König der Eigentore ist tot, lang lebe der König von Mainz!

Von Aleix Gwilliam.

Mazedoniens berühmtester König lebte vor etwa 2.400 Jahren: Alexander der Große. Was einst die Wiege seines Weltreichs gewesen ist, spielt heute in Europa politisch eine untergeordnete Rolle – auch fußballerisch vermisst man neue Schlagzeilen. Seit Darko Pančev in den späten 80ern und frühen 90ern für Roter Stern Belgrad brillierte, hat Mazedonien keinen Spieler mehr hervorgebracht, der für größere Furore gesorgt hätte. Pančev selbst verschwand nach wenigen überragenden Saisons über Inter, VfB Leipzig und Borussia Mönchengladbach in der Versenkung. Sein legitimer Nachfolger schien Goran Pandev zu sein, doch auch er fiel in den letzten zehn Jahren eher aufgrund häufiger Vereinswechsel innerhalb Italiens auf. In Rheinland-Pfalz aber gibt es einen Mazedonier, der mächtig Eindruck hinterlässt – nachdem er zuerst ein paar Probleme bewältigen musste …

Von Mazedonien nach Europa

Im zarten Alter von 19 Jahren wechselte Nikolče Noveski von seinem Heimatverein FK Pelister Bitola nach Deutschland zu Hansa Rostock. In der Bundesliga durfte er einmal für zehn Minuten gegen den HSV ran, ansonsten spielte er die nächsten drei Saisons hauptsächlich für die U23 in der Oberliga. Im Sommer 2001 zog es ihn ablösefrei zum Regionalligisten Erzgebirge Aue. Dort schnürte er weitere drei Jahre seine Stiefel, ehe ihn Jürgen Klopp zum Bundesligaaufsteiger FSV Mainz 05 lotste. Zu Saisonbeginn spielte er für die U23 in der Regionalliga, aber bereits im Oktober war er fester Bestandteil der ersten Elf – ein Zustand, der sich bis heute nicht geändert hat. Über die Fair-Play-Wertung zog Mainz sogar in den UEFA Cup ein, wo sie allerdings gegen den späteren Gewinner Sevilla (gespickt mit Spielern wie Dani Alves, Jesús Navas, Luis Fabiano, Javier Saviola und Frederic Kanouté) bereits in der ersten Runde mit 0-2 den Kürzeren zogen.

Seitdem ist keine einzige Saison vergangen, in der Noveski weniger als 30 Spiele von Beginn an gemacht hätte. Schon in seiner zweiten Saison bekommt er das Kapitänsamt übertragen – Herzstück der Defensive ist er sowieso. Angebote größerer Klubs lehnt er ab – nur ein weiterer Grund für die große Beliebtheit des Führungsspielers bei den Fans. Seine Partner in der Innenverteidigung wechseln, sie heißen Manuel Friedrich oder Neven Subotić – die Konstante bleibt aber Noveski. Trotzdem: In die Schlagzeilen kam er zunächst aus anderen Gründen.

Ein etwas anderer Hattrick

Zu Beginn der Saison 2005 traf man auf Eintracht Frankfurt und – man kann es kaum anders sagen – Noveski und der selbsternannte Karnevalsverein erwischten den schlimmstmöglichen Start. Es waren keine sechs Minuten gespielt, da hatte der Mazedonier bereits zweimal ins eigene Netz getroffen. Und auch wenn er den Ball noch einmal im richten Tor unterbrachte und Mainz unentschieden spielte: Der Eigentor-König war geboren. Den Bundesligarekord von sechs Treffern in den eigenen Kasten teilt er sich mit dem Hamburger Manfred Kaltz, der dafür 369 Bundesligaspiele brauchte. Noveski reichten weniger als die Hälfte, 173.

Sein erstes Eigentor schoss er beim 3-2 gegen Kaiserslautern am Ende der Saison 2004/05, darauf folgten die beiden berühmt-berüchtigten gegen Frankfurt, eins gegen die Bayern 2009/10 und ein besonderes Kunststück: seine bislang letzten beiden erzielte er beide gegen Hoffenheim, je eins in Hin- und Rückrunde. Neben der Einstellung des Kaltz-Rekordes wiederholte er so ein Kuriosum, das es bis dahin das erste und einzige Mal vor 39 Jahren gab. Damals, in der Saison 1972/73, traf Rot-Weiß Oberhausens Reiner Hollman in beiden Duellen gegen Bayern München ins eigene Netz.

Der Fels in der Brandung

Nichtsdestotrotz waren Noveskis Leistungen einer der Hauptgründe für die starken Mainzer Leistungen seit dem Wiederaufstieg 2009. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelang es Thomas Tuchel eine Mannschaft zusammenzustellen, die Erfahrung und Jugend vereinte und aufstrebende Talente wie André Schürrle, Jan Kirchhoff, Stefan Bell, Ádám Szalai, Nicolai Müller, Eric Choupo-Moting und den ausgeliehenden Lewis Holtby auf die Bundesliga-Bühne brachte. All diese jungen Spieler wussten erfahrene Recken an ihrer Seite, die sie bei ihren ersten Schritten begleiteten – allen voran Nikolče Noveski, ihr mazedonischer Kapitän.

Während Schürrle und Holtby mittlerweile in der Premier League und Szalai mit Kirchhoff auf Schalke ihr Geld verdienen, ist Noveski immer noch in Mainz. Die aktuelle Saison ist vielleicht sogar seine beste. Tuchels Mannschaft kämpft mit höher eingeschätzen Teams wie Gladbach und Wolfsburg um einen Platz im internationalen Geschäft – und Noveski ist (laut Kicker) der herausragende Akteur. Die Defensive steht dabei beispielhaft für den ganzen Kader: Noveski (34), Zdeněk Pospěch (35) und Bo Svensson (34) bilden das erfahrene Rückgrat für die jüngeren Spieler wie Stefan Bell (22) und Benedikt Saller (21). Obwohl Mainz als einzige Mannschaft der oberen Tabellenhälfte eine negative Tordifferenz aufweist (-1), stehen sie zurecht auf Platz 5. Die stabile Defensive (siebtbeste der Liga) könnte sich im Kampf gegen die anfälligere Konkurrenz als Faustpfand erweisen. Sollte sich Noveski mit Mainz für seine dritte Europapokalteilnahme qualifizieren, wird er ohne Zweifel einer der Architekten dieses Erfolges sein. Nicht schlecht für einen 34jährigen, der zwei wenig schmeichelhafte Bundesligarekorde hält. Doch aus dem König der Eigentore ist der König von Mainz geworden.

Der Artikel erschien im englischen Original bei BundesligaFanatic.

Bild: Von philmensch unter Creative Commons 2.0 veröffentlicht.

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