Schnözil oder weltklasse? – Weltklasse!

Jeder der die Fragen nach Messis oder Christiano Ronaldos Klasse beantworten muss, greift in die ganz obere Schublade. Doch wer die beiden da ansiedelt – und wer würde das nicht – muss auch einen anderen Spieler dort einordnen: Mesut Özil ist ebenfalls weltklasse.

In den letzten Jahren ist dieses schwammige Prädikat inflationär gebraucht worden; wo Weltklasse anfängt oder aufhört, sei dahingestellt. In diesem Zweikampf gegen unseren geschätzten Leser und Özil-Kritiker Günter geht es mir darum zu zeigen, dass es über Özil eigentlich keine zwei Meinungen mehr geben darf.

Wer innerhalb von drei Jahren seinen Wert von 17 auf 47 Millionen erhöht, während der direkte Konkurrent – immerhin Weltfußballer Kaka – den umgekehrten Weg von 65 Millionen auf ablösefrei geht, muss etwas besonderes haben.

Hohes Ansehen bei Mitspielern und Fans

Um das zu untermauern, reicht es eigentlich, sich die Reaktionen auf seinen Wechsel zu Arsenal anzuschauen. Zur Erinnerung: Mesut Özil war bis vor wenigen Tagen der Spielmacher von Real Madrid, des – so sehen sie sich selbst – prestigeträchtigsten Vereins der Welt. Hier ist es Vereinsphilosophie, die aufregendsten und schillerndsten Spieler einer Generation im eigenen Team zu haben – koste es was es wolle. Ein solcher wurde die Tage vor zehntausenden Fans im Santiago Bernabeu vorgestellt: Gareth Bale, 100 Millionen schwerer Neuzugang. Während sich Präsident Florentino Perez im Glanze seiner Neuverpflichtung sonnte, skandierten die Fans zu seinem sichtbaren Missfallen „Özil no se vende! – Verkauft Özil nicht!“. Es nutzte nichts.

Zwei Führungsspieler dieses Vereins, der mit aller Macht nach dem zehnten Champions League-Titel strebt, gaben nach dem Transfer folgendes zu Protokoll:

„Wenn ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen gehabt hätte, wäre Özil einer der letzten gewesen, die Real verlassen müssten.“ – Sergio Ramos

„Ich bin wütend über den Abgang von Özil. (…) Er kannte meine Laufwege zum Tor besser als jeder andere Spieler. (…) Er war ein Spieler, der den Unterschied ausmacht.“ – C. Ronaldo

Und auch der Ex-Trainer hat warme Worte für ihn parat:

„Özil ist einzigartig, es gibt keine Kopie von ihm. Er ist der beste Zehner der Welt. (…) Er hat die Sachen für mich und seine Mitspieler mit seinen Einfällen und Entscheidungen einfacher gemacht.“ – Ex-Real-Trainer Jose Mourinho

So etwas liest man nicht häufig. Aber was zeichnet Özil aus? Auch hier hilft uns Ramos weiter:

„Özil ist der König der Vorlagen.“

Ja, das kann man so sagen. Was Messis Tore sind, ist Özils Passspiel. Gerade das Zusammenspiel mit Ronaldo funktionierte fast blind: Özil legte ihm 29 Tore direkt auf, was ihn mit Abstand zum erfolgreichsten Zuarbeiter seiner Karriere macht (es folgen Benzema mit 17 und Giggs mit 16). Insgesamt kommt er in seiner Profikarriere auf unglaubliche 164 Torvorlagen, in seiner Zeit in Spanien lieferte er alle 139 Minuten einen Assist ab – ein Traumwert. Auch vor seinem Vorbild Zinedine Zidane braucht er sich nicht zu verstecken: In den ersten 100 Spielen für Madrid legte er 54 Tore auf, Zidane –  mit 29 Jahren auf dem Zenit – gerade mal 18.

Der beste Zehner der Welt?

Auch im europäischen Vergleich der letzten fünf Jahre dominiert Özil das Feld: Niemand hat mehr Vorlagen gegeben (72), niemand mehr Chancen kreiert (492). Man könnte sich Mourinho anschließen: Özil ist der aktuell beste Zehner der Welt. Und erst 24.

Mit Özils Installation als Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft 2009 machte diese den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung und erhöhte das Spieltempo merklich. Das bekamen bei der WM 2010 nicht zuletzt England und Argentinien zu spüren. Nach dem Turnier wechselte Özil für 17 Millionen nach Madrid, für die er drei Jahre lang die Stiefel schnürte, bevor ihn Arsenal nun für rund 47 Millionen auslöste.

Özil ist sicher keiner, den man als ‚kompletten Spieler‘ bezeichnen würde, aber in seiner Disziplin hat er es zur Meisterschaft gebracht. Und was besonders heraussticht: er ist mannschaftsdienlich. Ein Attribut, das man sonst eher den Wasserträgern und Grasfressern anheftet, aber es trifft auch auf Özil zu: Keine seiner Aktionen, sei sie auch noch so spektakulär, geschieht um der Show willen; jede ist zielgerichtet. Und während Ronaldo und Konsorten das Rampenlicht suchen, ist sich Özil nicht zu schade, seine Teamkameraden ein ums andere mal in Szene zu setzen. Zuverlässig, immer wieder.

Abschied durchs große Tor

Wenn er in Madrid auch deutlich selbstbewusster geworden ist und Interviews mittlerweile nicht mehr nur geflüstert werden – ein Lautsprecher wird er nie werden. Aber: Er hat sich durchgesetzt, er war der Dirigent des teuersten Orchesters der Welt – und er verlässt es nun durchs große Tor.

In England erwarten in andere Gegner und eine Mannschaft, deren Stil für ihn geschaffen scheint. Spätestens wenn er für und mit Arsenal einen Titel erringen sollte (oder mit Deutschland die WM), wird auch der letzte Kritiker verstummt sein. Und wer weiß: Vielleicht sieht sich Real Madrid dann in zwei Jahren ja bemüßigt, erneut die große Schatulle zu öffnen und den besten Zehner der Welt dorthin zurück zu holen, wo er ihrem Selbstverständnis nach hin gehört: ins Santiago Bernabeu – ins weiße Trikot mit der 10.

Günter sieht die Sache anders. Hier gehts zu seinem Beitrag: Schnözil!

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Bild: Von Ronnie Macdonald unter Creative Commons 2.0 veröffentlicht.

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