Der Weg des FC Bayern an die europäische Spitze — Teil 1: Das Sommermärchen und seine Folgen

Prolog

„Lahm. Den kriegt er noch. Philipp Lahm. Toooooooor für Deutschland!“ Mit diesen Worten Bela Rehtys begann im Sommer 2006 etwas, das man kurze Zeit später nur noch das Sommermärchen nannte. Ein Sommer, in dem ganz Deutschland eine Partymeile war. Das Team von Jürgen Klinsmann war jung aber erfahren, die Erwartungshaltung gering und das ganze Land in Extase.

63 Tage nach Lahms Treffer im Eröffnungsspiel begann für den FC Bayern die Bundesligasaison 2006/07. Unter Trainer Felix Magath konnte man in den beiden Jahren zuvor jeweils das nationale Double gewinnen. Im Kader der Bayern standen Spieler wie Mehmet Scholl, Roy Makaay und Oliver Kahn. Und die jungen WM-Helden Lahm, Poldi und Schweini.

Es sollte eine schwierige Saison werden. Der nationale Dominator stand lediglich einmal, am 5. Spieltag, auf dem Spitzenplatz, nur neun Mal fand man sich überhaupt unter den besten drei Teams wieder. Zuviel (bzw. zu wenig) für die Vorstandsetage der Bayern. Am 31. Januar 2007, einen Tag nach einem 0:0 gegen den VfL Bochum und 236 Tage nach dem Tor von Philipp Lahm, wurde Felix Magath entlassen.

Der Nachfolger Magaths sollte sein Vorgänger sein. Erfolgscoach und zweifacher Champions League-Sieger Ottmar Hitzfeld kehrte zurück. Doch auch er konnte das Unheil nicht mehr abwenden: nach 34 Spieltagen kam der FC Bayern nur als Vierter ins Ziel – die schlechteste Endplatzierung seit mehr als zehn Jahren. Und das Schlimmste daran: Platz vier war kein Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt hätte. Der deutsche Dauergast musste also durch die europäische Pampa tingeln, während der VfB Stuttgart, Schalke 04 und Werder Bremen gegen die ganz großen Teams antreten durften.

Der FC Bayern auf Einkaufstour

Damit das nicht mehr als ein einmaliger Ausrutscher bliebe, griff Manager Uli Hoeneß zu einem drastischen Mittel: sehr viel Geld. Zwar hatte der FC Bayern schon immer in Transfers investiert, aber was im Sommer 2007 geschah, war ein Paradigmenwechsel. Das neue Stadion war gebaut und so betrat man erstmals die berühmte Festgeldabteilung um massiv in die Mannschaft zu investieren. Fertige Spieler internationalen Formats sollten es nun sein, nachdem man vormals – vielleicht abgesehen von Roy Makaay – bevorzugt bundesligaerprobte Kicker von der direkten Konkurrenz verpflichtet hatte.

Für Owen Hargreaves, beim FC Bayern groß geworden und erster Englischer Fußballer des Jahres ohne in der Premier League gespielt zu haben, ging 25 Millionen Euro zu Manchester United, nachdem man im Jahr zuvor dem Werben noch widerstand. Diese Summe wurde umgehend reinvestiert: in Franck Ribery, den umworbenen Shootingstar des Vizeweltmeisters. Dazu holte man mit Miroslav Klose und Luca Toni zwei Stürmer internationalen Formats, mit Marcell Jansen und Jan Schlaudraff zwei deutsche Talente, mit José Ernesto Sosa und, im Winter, Breno außerdem junge und vielversprechende Südamerikaner. Rückkehrer Zé Roberto und der Schalker Hamit Altintop fielen dagegen eher ins klassische Beuteschema.

Für die vielen Neuzugänge musste natürlich auch Platz geschaffen werden. So verließen tragende Säulen wie Makaay, Salihamidzic oder Pizarro den Verein, Mehmet Scholl beendete seine aktive Karriere. Ottmar Hitzfeld stand also vor der schwierigen Aufgabe den FC Bayern mit dem runderneuerten Kader an die Spitze des Bundesligatableaus zurückzuführen.

Die Hinrunde des neuformierten FC Bayern

Vor dem Saisonstart 2007/08 am 11. August gab es in Fußballdeutschland nur eine Frage: Was können diese neuen Bayern? Schon nach drei Spieltagen ließ sich feststellen: Tore schießen! Einem 3:0-Sieg gegen Hansa Rostock (Toni, 2x Klose), der bereits am 1. Spieltag die Tabellenführung bedeutete, folgte ein 4:0 in Bremen (Ribery, Toni, Altintop, Ottl) und ein 3:0 gegen Hannover 96 (Toni, van Bommel, Altintop).

Nach dem beeindruckenden Start ließen die Bayern allerdings etwas nach. Bis zum 13. Spieltag gab es vier Unentschieden und am 13. Spieltag die erste (aber einzige) Niederlage der Hinrunde. Trotz zwei weiterer Unentschieden wurde man Herbstmeister, nachdem man die Tabellenführung an allen 17 Spieltagen innehatte. Im DFB-Pokal erreichten die Bayern nach einigen Startschwierigkeiten das Achtelfinale und auch im UEFA-Cup wurde, trotz sehr durchwachsener Leistungen, das Sechzehntelfinale erreicht.

Neben unheimlichem Pozential, gerade offensiv, offenbarte der FC Bayern also auch manche Schwächen. Zudem verkündete Ottmar Hitzfeld im Winter seinen Abschied zum Saisonende – das Ende der Vereinslaufbahn eines großen Trainers. Doch der FC Bayern brauchte nicht lange und präsentierte bereits im Januar einen Nachfolger: Jürgen Klinsmann, den Autoren des Sommermärchens.

Die Ehrenrunde des Ottmar Hitzfeld

Souveräner Herbstmeister, berauschender Fußball und auf allen Hochzeiten überwintert – mit dieser Ausgangslage starteten die Bayern in die Rückrunde. Und dort zeigte das Team noch einmal deutlich konstanter was in ihm steckte. In der Liga gewann man 12 Spiele, verlor lediglich in Cottbus und wurde unangefochten Meister. Der Tabellenführer an allen 34 Spieltagen hieß, natürlich: FC Bayern!

Und auch die Spieler liefen zu Höchstform auf: Luca Toni spielte die vielleicht beste Halbserie seiner Karriere. Den neun Ligatreffern der Hinrunde konnte er noch 15 hinzufügen und gewann somit die Torjägerkanone. Maßgeblich an diesem Erfolg beteiligt: Franck Ribery. Der kleine Franzose verzauberte die Massen und spielte sich sofort in die Herzen der Fans. Für die beiden neuen Superstars des FC Bayern war es eine Debütsaison wie sie nicht besser hätte sein können.

Auch im Pokal marschierten die Bayern munter weiter. Am 27. Februar 2008 kam es zum ersten und bisher einzigen Derby gegen die Münchener Löwen seit deren Abstieg in die 2. Bundesliga. Entschieden wurde das Duell erst in der Nachspielzeit der Verlängerung. Torschütze: König Franck der Erste. Im Halbfinale wurden der VfL Wolfsburg und Ex-Trainer Magath ausgeschaltet und bereits am 19. April stand in Berlin das Finale gegen einen alten Rivalen an: Borussia Dortmund.

Nach einem frühen Tor durch Luca Toni führten die Bayern bis in die Nachspielzeit. Dann gelang Mladen Petric der Ausgleich und die Bayern mussten in die Verlängerung. Bekanntermaßen nichts neues für die Bayern: Luca Toni machte sein zweites Tor am Abend und damit den ersten Titel perfekt.

Spanische Nächte sind lang

Während Hitzfeld also zum Abschluss seiner Vereinslaufbahn das nationale Double gewinnen konnte, lief es auch international zunächst gut. Ohne Mühe spielte man sich bin ins Viertelfinale, wo man auf den FC Getafe traf. Nach einem schwachen 1:1 zu Hause erwartete die Bayern ein schweres Spiel in Madrid. Obwohl sie ab der 6. Minute in Überzahl agierten, ging Getafe kurz vor der Pause in Führung. Diese konnte Ribery erst in der 89. Minute egalisieren: Verlängerung. Und diese begann wie es schlimmer nicht hätte kommen können – mit einem Doppelschlag von Getafe: 3:1, das Halbfinale zwei Tore weit weg. Doch es war ja eine Verlängerung. Und Luca Toni stand auf dem Platz, ebenso wie Oliver „weiter-immer-weiter“ Kahn. Doch trotz wütender Angriffe gelang den Bayern erst in der 115. Minute der Anschlusstreffer zum 3:2. Die Zeit lief unerbittlich runter. Und dann kam die letzte, die 120. Minute. Alles – inklusive Torwart Kahn – wurde nach vorne geworfen. Nur ein Tor! Und dann kam irgendwie eine Flanke bei Luca Toni an. Und irgendwie stand es 3:3. Und irgendwie war dann ein Spiel zu Ende, das wohl als eines der emotionalsten in die Geschichte des FC Bayern eingegangen ist und das van Bommels Nase wohl manchmal immer noch spürt.

Im Halbfinale war trotz allen Rückenwindes aus dem Last-Minute-Weiterkommen allerdings Endstation. Zenit St. Petersburg, der spätere Titelgewinner, erwies sich als zu harte Nuss. Nach einem erneuten 1:1 zu Hause stand am Ende mit dem 0:4 in St. Petersburg eine bittere Niederlage und das Ende jeglicher Träume. Ein entscheidender Akteur der Russen hatte blonde Haare und einen fürchterlichen Namen. Und hinterließ tiefen Eindruck bei Manager Hoeneß.

Der FC Bayern hatte also die Schmach der Vorsaison getilgt, gewann das Double und nahm in der folgenden Saison wieder an der Champions League teil. Der Kader war gespickt mit einigen Spielern, die für Furore gesorgt hatten. Neben Trainer Hitzfeld beendete auch Titan Kahn nach dieser Saison seine Karriere. Zum Abschied stellte er standesgemäß noch einen neuen Gegentorrekord auf – er musste in der Liga nur 21 Mal hinter sich greifen. Er sollte in der Folge noch schmerzlich vermisst werden …

Fortsetzung folgt …

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