Das blaue Wunder

Darmstadt in Not

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Dezember 2012. Die Stimmung in Darmstadt ist auf dem Tiefpunkt, die Temperaturen sind es auch. Der Klassenerhalt in der 3. Liga erscheint nach dem desaströsen 3:0 gegen Preußen Münster kaum mehr machbar zu sein. Nach seiner Ernennung im September konnte Jürgen Seeberger Darmstadt nicht entscheidend weiterbringen und wurde dementsprechend wieder entlassen. Er hatte damals Kosta Runjaic ersetzt, der nach dem Aufstieg im Vorjahr dem Ruf des Zweitligisten MSV Duisburg erlegen war. Schlechte Voraussetzungen also für den Rest der Saison, schließlich fehlten den Lilien als Tabellenletzter zum Jahreswechsel vier Punkte zum rettenden Ufer. Who you gonna call?

Nicht die Ghostbusters, obwohl sie sicherlich gute Dienste im Kampf gegen das Abstiegsgespenst hätten leisten können. Man entschied sich auf Seiten der Darmstädter Verantwortlichen dafür, einen Trainer anzuheuern, der für seine teils harten Trainingseinheiten bekannt ist und der vor allem als ein Mann gilt, der seinen Spielern gegenüber stets offen und ehrlich auftritt. Dirk Schuster, der als Spieler selbst als beinharter Verteidiger galt, wurde also neuer Übungsleiter und mit ihm sollten sich die Dinge dramatisch verändern.

Wieso Dirk Schuster die perfekte Lösung war (und noch ist)

Dirk Schuster wurde erst kurz zuvor entlassen bei den Stuttgarter Kickers, einem Team, mit dem er vor der Saison den Aufstieg feiern konnte. Den hohen Erwartungen beim Kickers-Vorstand konnte er nicht gerecht werden. Schon damals waren viele Fans der Blauen der Meinung, dass die Entlassung voreilig war und sich als Fehler erweisen könnte – schließlich waren zum Zeitpunkt der Entlassung noch viele Spiele zu absolvieren und zudem besaßen die Kickers eine sehr gute Abwehr. Neben anderen spielte hierbei ein Mann eine ganz entscheidende Rolle im Abwehrverbund: Jérôme Gondorf. Den Namen sollte man im Hinterkopf behalten, um den Aufstieg Darmstadts nachvollziehen zu können. Wie es der Zufall wollte, war gerade die Defensivleistung das große Manko der Lilien, daher ergab die Verpflichtung eines Fachmanns natürlich Sinn.

 

Was kann man von einem Trainer wie Dirk Schuster und seinem betreuten Team erwarten? Dirk Schuster steht für ehrlichen und kompromisslosen Fußball, seine Taktik ist denkbar einfach, aber dennoch sehr effektiv. Als Grundformation nutzt er dabei ein 442 oder ein 4411 mit einer hängenden Spitze. Zudem erhält jeder Spieler ganz klare Anweisungen, was er in welcher Phase des Spiels zu tun hat. Der Ball soll möglichst direkt zum nächsten Mann gebracht werden und daher schreckt man auch nicht vor langen Bällen zurück, die gezielt den großen und extrem kopfballstarken Mittelstürmer suchen. Das Team als solches verteidigt sehr kompakt und jeder Spieler ist in die Verteidigung mit eingebunden. Ein Beispiel illustriert das gut: Bei gegnerischem Spielaufbau aus der Innenverteidigung heraus laufen beide Stürmer die Innenverteidiger an. Ist diese Linie überspielt, zieht sich Darmstadt als Team sehr dicht gestaffelt zurück und leitet Angriffe vor allem auf die Flügel ab, da man im Zentrum extrem kopfballstark ist – ein Fakt, der sich auch im Offensivspiel auszahlen soll. Im eigenen Spielaufbau geht es teils sehr rustikal zur Sache. Man kann grob gesagt drei Strategien im Spiel von Dirk Schusters Mannschaften ausmachen. Der klassische Spielaufbau startet bei den Innenverteidigern und über die Zentrale gelangt der Ball so rasch wie möglich auf die Flügel, auf denen sich die pfeilschnellen Flügelspieler in Sprints mit den gegnerischen Außenverteidigern duellieren. Idealerweise überlaufen sie diese und flanken dann nach innen auf den kopfballstarken Mittelstürmer. Die zweite Strategie ist die der langen Bälle auf eben jenen Mittelstürmer, der dann für seine nachrückenden Offensivspieler ablegt. Eine im modernen Fußball oft vernachlässigte Strategie ist der Einsatz von Standards als echte Waffe. Dank der Kopfballstärke und einstudierter Varianten erzeugen Schuster-Teams hier extreme Gefahr für des Gegners Tor. Im Sinne pokémon’scher Dialektik: It’s super effective!

Darmstadt am Rande des Abgrunds

Mai 2013. Darmstadt ist nicht mehr Schlusslicht der Tabelle, doch leider geht das letzte Saisonspiel gegen die Stuttgarter Kickers verloren. Ausgerechnet gegen Schusters Ex-Team! Somit bleibt man zwei Punkte hinter den Blauen und steht als Absteiger fest. Ein herber Rückschlag für Dirk Schusters Ambitionen, doch ein Blick auf die Statistiken und Leistungen der Lilien zeigt ein interessantes Bild: Obwohl Darmstadt gegen den Abstieg spielte, kassierte man in den 15 Spielen unter Schusters Regie nur 13 Gegentore. Natürlich sind die 14 eigenen Tore in dieser Zeit viel zu wenig, aber die Zahl der Gegentore ist für einen Absteiger beeindruckend. Die Bilanz in diesen Spielen weist 5 Siege, 7 Unentschieden und nur 5 Niederlagen auf. Auch so etwas würde man nicht gerade von einem Absteiger erwarten. Aber was zählen solche Fakten, wenn am Saisonende dennoch der bittere Gang in die Regionalliga ansteht? Doch Darmstadt hatte enormes Glück. Die Saison war sportlich vorbei, aber am Grünen Tisch wurde den Lilien der Klassenerhalt zugesprochen. Diese Entscheidung verdankten sie ausgerechnet ihrem Lokalrivalen, den Offenbacher Kickers. Der DFB verweigerte diesen aufgrund hoher Schulden die Lizenz für die nächste Saison. Wie durch ein Wunder war Darmstadt vom einen auf den anderen Tag gerettet.

Der Beginn des Wunders

Aufgrund der lange unklaren Situation verließen viele Spieler das Team. Schuster war dazu gezwungen, innerhalb kürzester Zeit ein komplett neues Team aufzubauen. Er verpflichtete viele Spieler, die noch heute Teil des Teams sind. Viele dieser Spieler galten mehr oder weniger gescheitert bei ihren vorherigen Clubs: Spieler wie Marco Sailer, Dominik Stroh-Engel, Marcel Heller und Milan Ivana haftete mitunter das Image von Problemspielern an. In Darmstadt erhielten sie eine neue Chance. Schuster entsann sich auch eines Spielers, dessen Qualitäten er schon in Stuttgarter Zeiten zu schätzen wusste: Jérôme Gondorf. Der deutsche Fußballwortschatz hat einen schönen Namen für ballerobernde Mittelfeldspieler wie ihn: Staubsauger. Schuster vertraute seit jeher auf Gondorfs Qualitäten und es waren dessen Leistungen, die Darmstadt eine fantastische Saison sicherten. Man konnte Borussia Mönchengladbach in der ersten Runde des DFB-Pokals rauswerfen. Zwar verlor man in der zweiten Runde gegen Schalke 04, doch wer erwartet hatte, dass ein deutlicher Klassenunterschied zwischen dem Champions-League-Aspiranten und dem mit No Names besetzten Drittligisten zu Tage treten würde, wurde schnell eines Besseren belehrt.

 

Darmstadt verließ sich in der Saison 2013/14 auf die Dienste von DSE – Dominik Stroh-Engel. Er stellte einen neuen Ligarekord auf und erzielte 27 Tore in 34 Spielen. Mit der oben beschriebenen Taktik und den angesprochenen Strategien überrumpelte man ein ums andere Mal spielerisch überlegene Mannschaften. Der Abwehrverbund war kaum zu knacken und daher verwundert es wenig, dass die Lilien am Saisonende die zweitbeste Defensive stellten. Vier Spieltage vor dem Saisonende kam es zum Aufeinandertreffen mit RB Leipzig, die damals einen Punkt vor ihnen lagen. Dieses Spitzenspiel im April des Jahres 2014 bescherte RB Leipzig einen neuen Zuschauerrekord. Überragende 39.147 Fans wollten das ungleiche Duell zwischen den neureichen Leipzigern, die von dem österreichischen Getränkemagnaten Red Bull gesponsert werden, und dem krassen Außenseiter aus Darmstadt sehen. Der Kader der Sachsen war damals wie heute ein Vielfaches mehr wert als der der Hessen und so setzte sich damals der Favorit knapp aber verdient durch. Für Darmstadt bedeutete dies die Teilnahme am Aufstiegsplayoff. Dort traf man im Mai auf Arminia Bielefeld. Hier die 27 Tore des Dominik Stroh-Engel:

 

Zwei Spiele zwischen Himmel und Hölle

16. Mai 2014. Bielefeld gewann das Hinspiel in Darmstadt mit 3:1. Kaum einer glaubte daran, dass die Lilien noch einmal zurückschlagen könnten. Bielefeld  spielte ein nahezu perfektes Spiel und vermutlich war dieses Spiel das schwerste, welches Dirk Schuster bis dato als Trainer zu verantworten hatte. So schlecht waren die Lilien gar nicht, doch die Ostwestfalen waren sehr effizient. Schuster musste also einiges an Aufbauarbeit leisten und seine Spieler schnellstmöglich wieder aufrichten.

Nur vier Tage später. Wahnsinn! Das beschreibt das Rückspiel auf der Bielefelder Alm ziemlich gut. Mindestens drei Tore brauchten die Hessen an diesem Abend. Wie zum Henker hätte das denn passieren sollen? Stroh-Engel besorgte das 1:0 und unmittelbar nach der Pause erhöhte Behrens auf 2:0. Die Sensation schien zum Greifen nahe, doch Burmeister verkürzte auf 2:1. Es war einmal mehr Gondorf, der das entscheidende Tor erzielen konnte, das den Lilien die Verlängerung bescheren sollte. Das hatte im Vorfeld niemand für möglich gehalten. In der Verlängerung lebte das Spiel von seiner ungeheuren Spannung und als 10 Minuten vor dem Ende Arminia auf 2:3 verkürzen konnte, war klar, dass es kein Elfmeterschießen geben würde. Die Bielefeld-Fans begannen allmählich mit den Jubelfeiern, doch man sollte einen Underdog niemals unterschätzen. Schon kurz nach dem Ausgleich reagierte Schuster und holte den völlig ausgepumpten Gondorf vom Platz. Für ihn kam Elton da Costa als letzter möglicher Joker ins Spiel. Das Spiel war im Prinzip gelaufen. 120 Minuten waren gespielt, als die Verlängerung wegen Spielunterbrechungen nochmals um 2 Minuten verlängert wurde. Was in diesen 120 Sekunden passierte, ist unglaublich. Doch seht selbst, das Wunder von Bielefeld:

Das Wunder geht weiter

Winterpause 2014/15. Darmstadt macht dort weiter, wo sie eine Etage tiefer aufgehört haben. In 19 Spielen konnten sie 33 Punkte sammeln. Beeindruckend für den krassen Außenseiter der Saison. Berücksichtigt man, dass Darmstadt in einem Stadion spielt, das dringend umgebaut und für den modernen Fußball auf Vordermann gebracht werden muss; führt man sich vor Augen, dass Darmstadt vor nicht einmal anderthalb Jahren vor dem Absturz in die Regionalliga stand und wenn man sieht, mit wie wenig finanziellen Mitteln und mit vermutlich dem geringsten Budget Darmstadt in der zweiten Liga agiert, dann kann man nur den Hut ziehen vor der Leistung Dirk Schusters und seinem Trainerteam. Die Taktik ist auch im Unterhaus der Bundesliga dieselbe geblieben: Eine perfekte Defensive, schnelle Angriffe beziehungsweise Gegenstöße über die Flügel, ein treffsicherer Stroh-Engel im Zentrum und dazu eine gnadenlose Effektivität bei eigenen Standards.

Darmstadts Hinrunde in der zweiten Liga

Da Darmstadt es sich nicht leisten kann, einen großen Stab zu beschäftigen, hängen viele Aufgaben an Dirk Schuster und seinem kleinen Mitarbeiterstab. Sie entscheiden über Neuzugänge und es ist Schusters Taktik, die seit nun über 2 Jahren wie ein Uhrwerk läuft und beständig Punkte einfährt. Ratet mal, wer erneut die beste Defensive in der Liga stellt … Natürlich, die Lilien. Hinzu kommt eine Trefferquote bei den Transfers, die ihresgleichen sucht. Jungwirth, Mathenia, Brégerie, Holland, Balogun und insbesondere Kempe haben eingeschlagen wie eine Bombe. Nur Exslager und König fallen da etwas ab, wobei letzterer im neuen Jahr seine Chance beim Schopfe zu packen scheint. Dennoch sind 6 von 8 sehr erfolgreichen Transfers eine phänomenale Quote. Der Rest des Kaders besteht aus den Aufstiegshelden und wenn man den Berichten aus dem Team Glauben schenken darf, dann herrscht nicht nur auf dem Rasen eine positive Stimmung, sondern auch abseits des Platzes. Dirk Schuster schafft es offensichtlich, jedem Spieler das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden, was sich positiv auf die Leistung auswirkt.

Werfen wir mal einen kleinen Blick auf die Startelf der Lilien: Christian Mathenia kam vor der Saison aus Mainz und sicherte mit seinen Paraden der Reserve den Aufstieg in die 3. Liga. Seine Verpflichtung galt als riskant, doch er hat seine Kritiker mit seinem modernen Torwartspiel schnell ruhiggestellt. Rein optisch werden hin und wieder Vergleiche mit Manuel Neuer gezogen, auch wenn es sicher noch ein gehöriges Stück Arbeit für Mathenia ist, auf dessen Niveau zu kommen. Als Ersatz steht mit Patrick Platins ein sehr erfahrener und solider Zweitligatorwart bereit. Die Viererkette bilden Balogun oder Sirigu auf der rechten Seite, im Zentrum verteidigen Kapitän Aytac Sulu und Romain Brégerie kompromisslos und knallhart, zudem stellen beide Spieler eine enorme Torgefahr bei eigenen Standards dar. Auf der linken Seite hat die Berliner Leihgabe Fabian Holland Michael Stegmayer abgelöst, der in der Vorsaison noch gesetzt war. Da Sirigu nahezu jede Position auf dem Platz bespielen kann, ist er eine ideale Lösung als Einwechselspieler, doch das Rennen auf der Rechtsverteidigerposition ist offen und wird teilweise je Gegner neu entschieden.

Die Doppelsechs bekleiden Hanno Behrens und Florian Jungwirth. Wahlweise spielt Gondorf anstelle von Behrens, sofern er nicht als offensiver Staubsauger benötigt wird. Auch eine Liga höher ist Gondorf weiterhin ein essentieller Bestandteil von Schusters Team. Dieser Spieler gibt förmlich in jedem Spiel sein letztes Hemd und das ist eines der Wesensmerkmale, die die Darmstädter Mannschaft auszeichnen.

 

Der linke Flügel ist klar in der Hand von Marcel Heller, der über einige Bundesligaerfahrung verfügt, aber den hohen Ansprüchen nie gerecht werden konnte – bevor er sich Darmstadt anschloss. Er war maßgeblich für den Aufstieg verantwortlich und spielt bislang eine beeindruckende Saison. Bereits zur Winterpause hat er genauso viele Tore und Vorlagen beigesteuert wie in der abgelaufenen Saison. Das macht ihn zu einem unersetzbaren Bestandteil des Darmstädter Teams.

 

Auf dem rechten Flügel sucht Schuster immer wieder nach Lösungen, da hier die Qualität etwas abfällt. Ivanas Leistungen schwanken zu sehr, um dauerhaft in der Startelf zu stehen, Exslager war wie erwähnt nicht die erhoffte Verstärkung. Aus diesem Grund ließ Schuster in der Hinrunde Kempe auf dem Flügel auflaufen, obwohl dieser lieber im Zentrum agiert. Dafür sind die 2 Tore und 5 Vorlagen gar kein so schlechter Wert. Vor allem Kempes Standards sind gefürchtet. Nach dessen schwerer Verletzung durfte auch Allzweckwaffe Gondorf für einige Spiele auf dem Flügel ran. Hinter der Spitze agiert Gondorf üblicherweise als sehr aggressiver Balleroberer. In der Rückrunde ging Schuster jedoch wieder dazu über, Marco Sailer vermehrt einzubinden, der ebenfalls durch seinen Einsatzwillen glänzt und viele Weg geht. Die Sturmspitze besetzt DSE. Auch er hatte kaum Umstellungsschwierigkeiten und traf bereits acht Mal ins Netz, auch wenn er in der Rückrunde etwas Ladehemmung zu haben scheint. Dafür drängt sich inzwischen Ronny König auf, der in der Hinrunde kaum zum Zuge kam.

Quo vadis Darmstadt?

Das gute alte Stadion am Böllenfalltor ist eines der ältesten Stadien im deutschen Profifußball und das merkt man ihm auch an. Während andere Stadien in den jüngsten Jahren modernisiert worden sind, sieht man dem Bölle den Charme der späten 70er und frühen 80er Jahre an. Die nur 4.000 Sitzplätze sind im Profifußball schon etwas besonderes und in anderen Ligen vollkommen undenkbar. Die Stadt Darmstadt hat entschieden, die meisten Kosten für die notwendige Modernisierung zu tragen.

Böllenfalltor, Stadion von Darmstadt 98

Das Böllenfalltor, Blick von der Südkurve.| Foto: Thorsten Halm [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Die Lilien selbst haben trotz Aufstieg nur wenig Geld, um neue Spieler anzulocken. Neue Sponsoren werden nach und nach angeworben und es wird noch eine Weile dauern, bis dort mehr Gelder fließen als bisher. Trotz knapper Kassen konnte man im Wintertransferfenster einige Überraschungscoups landen. Sinnvoll waren die Abgänge von Biada und Berzel, die beide in der 3. Liga eine neue Anstellung fanden. Für sie war der Sprung in die 2. Liga eindeutig zu hoch, aber da beide noch jung sind, kann das durchaus im zweiten Anlauf klappen. Den beiden Abgängen stehen zwei Neuzugänge gegenüber, die Experten aufhorchen und Fanherzen höher schlagen ließen. Zum einen kehrte mit Yannick Stark so etwas wie der verlorene Sohn zurück nach Darmstadt. An ihm war man schon im Sommer dran, allerdings galt er da in München noch als unabkömmlich. Die Nebengeräusche bei seinem Wechsel im Winter waren eher unschön, doch letztlich bekam Darmstadt und somit auch Dirk Schuster mit ihm seinen Wunschspieler. Stark gilt seit seiner Zeit beim FSV Frankfurt als für höhere Aufgaben berufen, konnte dies bei 1860 München nur ansatzweise zeigen. Wie auch Schuster betonte, ist die Verpflichtung von Yannick Stark ein langfristiger Transfer, der den Darmstädtern mehr Optionen im Zentrum bieten soll. Der zweite Transfer war ein echter Paukenschlag: Jan Rosenthal konnte für die Rückrunde von Eintracht Frankfurt ausgeliehen werden. Auch bei ihm handelt es sich um einen Spieler, der bei seinem ehemaligen Verein als gescheitert gilt und nun eine neue Chance erhält. Da Rosenthal vielseitig in der Offensive einsetzbar ist, bietet er Schuster somit die dringend benötigten Alternative.

Auch in Zukunft wird man jeden Euro zweimal umdrehen und für Neuverpflichtungen nicht mehr als 250.000 Euro zahlen können, daher wird Schuster auch weiterhin nach Schnäppchen Ausschau halten.
Auch wenn man in Darmstadt nicht vom Aufstieg reden will, die Verpflichtungen sind ein klarer Fingerzeig an die Konkurrenz. Der Abstiegskampf ist spätestens mit dem Erreichen der 40-Punkte-Marke kein Thema mehr und die Leistungen im neuen Jahr knüpfen nahtlos an die hervorragende Vorrunde an. Darmstadt könnte die Sensation schaffen, zumal der Tabellenführer aus Ingolstadt zu schwächeln scheint. Allerdings ist die Konkurrenz aus Kaiserslautern und Karlsruhe individuell noch besser aufgestellt. Es sieht alles danach aus, als könnte Darmstadt bis zum Saisonende ein Wort im Aufstiegskampf mitreden. Allerdings könnte der Aufstieg Begehrlichkeiten aufseiten der Spieler wecken und die Teambalance nachhaltig stören, denn rein von der spielerischen Klasse her gesehen wäre die Bundesliga mit dem aktuellen Kader definitiv ein paar Nummern zu groß. Das Umfeld ist Lichtjahre von den professionellen Strukturen moderner Bundesligisten entfernt. Auch der Personalaufwand und Medienrummel würden eine enorme Doppelbelastung für Dirk Schuster darstellen, der seit seinem Antritt Trainer und Sportdirektor in Personalunion ist.

 

Damit wäre ich auch schon beim Macher dieses modernen Fußballmärchens. Dirk Schuster schafft es, aus seinem Team das Optimum herauszuholen. Der Kader ist verglichen mit anderen Zweitligisten individuell deutlich schwächer besetzt und spielt am Anschlag des eigenen Leistungsniveaus. Dank akribischer Trainingssteuerung und seiner absolut ehrlichen Mannschaftsführung weiß jeder Spieler, woran er ist und fühlt sich gebraucht. Diese Fähigkeiten zeigen, dass Dirk Schuster über kurz oder lang auch das Interesse von Bundesligisten auf sich ziehen wird. Den Fußballlehrer schloss er 2007 als Jahrgangsbester ab und somit gehört Schuster, wenn auch schon Ende 40 mit zu den hoffnungsvollsten Trainern in Deutschland. Gespannt kann man sein, wie sein Fußball aussieht, wenn er mal ein Team trainieren sollte, das wesentlich stärkere Einzelspieler im Kader hat. Sicherlich werden auch da einstudierte Eckballvarianten oder Freistöße eine Rolle spielen und effektiv ausgenutzt werden. Diese Saison wird Schuster auf jeden Fall bis zum Saisonende in Darmstadt bleiben. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass im Sommer der ein oder andere Bundesligist bei ihm anfragt. Doch vielleicht wird das gar nicht nötig sein, da er dann schon Trainer im Oberhaus ist. Mit Darmstadt 98. Da könnte so manch etablierter Verein noch sein blaues Wunder erleben.

 

Titelbild: flierfy [CC 2.0], via Flickr

2 Gedanken zu „Das blaue Wunder

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