Gedanken zur Frage nach der besten Liga der Welt

Unser Interview mit Jörg Seidel hat dank Spielverlagerung (Merci!) einiges an Aufmerksamkeit bekommen. Wie bei solch heiß diskutierten Themen üblich, rief es neben Zustimmung auch konträre Reaktionen hervor. Im Folgenden will ich versuchen, weitere Aspekte der Frage nach der besten Liga der Welt aufzugreifen. Einer Diskussion der Zahlenbasis kann ich mich dabei nicht stellen, da ich (leider) kein Analyst bin. Trotzdem fang ich damit an:

Andere Zahlen, andere Ergebnisse

ClubElo wies darauf hin, dass seine Analyse zu anderen Ergebnissen kommt: Bei ihm führt Spanien das Feld an, gefolgt von Deutschland und England. Worin der Unterschied begründet liegt, konnte nicht abschließend geklärt werden. Am Ende stand ein Vorschlag, der die Zustimmung der beteiligten Parteien fand:

Falls der Versuch, Goalimpact und Elo mit den gleichen Daten zu füttern, tatsächlich unternommen wird, werde ich auf die Ergebnisse hinweisen.

 

Es zählen nur Titel!

Da ist dem Kollegen natürlich nur schwer zu widersprechen – allerdings sagen Erfolge in der Europa League auch nur etwas über die Teams aus, die daran teilnehmen. Sprich: Die Vereine drei bis sechs mögen in der Primera Division durchaus stärker sein als ihre deutschen Pendants; wenn aber gleichzeitig von Platz sieben bis 18 das Gegenteil gilt, wirkt sich das zugunsten Deutschlands auf die (fiktive) Stärke der Liga aus – nicht aber auf die Trophäenschränke.

Das nur um das Ziel unserer Analyse zu unterstreichen. Es ging uns nicht um die (international vertretene) Spitze, sondern um die Liga insgesamt. Womit wir zum nächsten Punkt kommen:

 

Nicht messbare Faktoren

Als Kind der Rumpelära bin ich begeistert, dass wir in Deutschland taktischen Trends nicht mehr nur hinterher rennen. Während sich in England das Gegenpressing erst langsam Bahn bricht (von ein paar Enklaven abgesehen), können wir in der Bundesliga – neben den Klassenbesten Bayern und Dortmund – einige hochinteressante Teams bewundern. Die taktische Innovationskraft in Vereinen wie Freiburg oder Mainz hat dazu geführt, dass Klubs wie Stuttgart, Hamburg oder Bremen nicht mehr nur von ihrem Namen leben können. Die Folge ist ein enges Tabellenmittelfeld, in dem von Platz 4 bis 14 fast alles möglich ist.

Sicherlich gibt es sowas auch in anderen Ligen; für die Bewertung dieser Faktoren sind die Kollegen von Spielverlagerung geeigneter als ich. Was ich sagen will: Auch sowas steigert die Attraktivität einer Liga, lässt sich aber schwer erfassen.

Oft wird auch die „Ausgeglichenheit“ der Liga zur Beurteilung herangezogen – wie viele verschiedene Meister gab es in den letzten X Jahren? Das mag vielleicht in Bezug auf die Spannung der Meisterschaft aussagekräftig sein – ignoriert aber a.) dass dahinter auch Fußball gespielt wird und b.) die Qualität des gespielten Fußballs.

 

Wozu überhaupt die Frage?

Kommt das Gespräch auf die beste Liga der Welt, werden die Gemüter nicht selten erhitzt. Doch warum versucht man das Prädikat unbedingt irgendwo anzuheften? Über die Verteilung von Sponsoren- und Fernsehgelder wird ohnehin anderswo entschieden und die wenigsten von uns werden – statt nach Dortmund zu fahren – ins Santiago Bernabeu pilgern, nur weil die Liga dort die bessere sein soll.

Mir scheint die Frage vielmehr ein Ersatz für das zu sein, was man ansonsten in den großen internationalen Turnieren auf dem Rasen ausgetragen sieht. Statt um den Weltmeistertitel geht es um die „Beste Liga der Welt“ – statt den Europameistern hat man die größten Stars in der Liga und sieht den attraktivsten Fußball.

 

Fazit

Unser Ziel war es, die meist nur oberflächlich angerissene Frage nach der besten Liga der Welt a.) von objektiven Eindrücken wegzuholen und fundiertere Maßstäbe zu finden und b.) die Frage zu differenzieren, sodass sie dem Komplex gerecht wird.

Ich bin der Überzeugung, dass die Unterschiede in den Ligen nicht groß genug sind, um die Frage zufriedenstellend zu beantworten. Jeder Fan soll seine eigene beste Liga der Welt haben. Sofern man nicht ohnehin die heimische bevorzugt, wird die Antwort vielseitig ausfallen: Der Taktikliebhaber wird sich vielleicht für die Bundesliga erwärmen; wer auf die Stars schaut eventuell für die Primera Divison mit ihrem Duell Messi vs. Ronaldo. Der Asiate wird die Premier League erwählen, weil sie in seiner Heimat überrepräsentiert ist. Und jeder wird seinen persönlichen Weltmeister-/Beste-Liga-Titel gewonnen haben. Doof nur, dass das den anderen so schwer beizubringen ist.

 

Erneuten Dank an Jörg Seidel von Goalimpact für das zum Weiterdenken anregende Interview.

4 Gedanken zu „Gedanken zur Frage nach der besten Liga der Welt

  1. Lars

    Erstmal vielen Dank fuer die Erwaehnung.

    Bei Clubelo habe ich nach der herausgefunden, dass um Ligen miteinander zu vergleichen, die vergleichsweise kleine Zahl an Europapokalspielen nicht ausreicht, damit sich aendernde Kraefteverhaeltnisse schnell genug in den Zahlen widerspiegeln. Ich benutze deshalb einige zusaetzliche Formeln um das zu beruecksichtigen.

    Die Goalimpact-Methodik und die von Clubelo unterscheiden sich grundlegend. Clubelo beruecksichtigt ausschliesslich Ergebnisse im Klubfussball, Goalimpact geht mit der Analyse runter bis auf Spielerlevel. Das hat Vorteile: Wenn Cristiano Ronaldo von Man United nach Real Madrid wechselt, aendern sich die Goalimpacts beider Teams sofort merklich, der Elo-Wert bleibt dagegen erstmal gleich.

    Bei den grossen Fragen sollten beide Herangehensweisen idealerweise konvergieren. Eine Liga, in der die besten Spieler spielen, die aber im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt macht ab einer gewissen Diskrepanz keinen Sinn.

    Beispiel 1: Deutschland/Italien Anfang der 90er.

    Ganz abgesehen von den Titeln: Italienische Mannschaften haben gegen Teams aus ALLEN europaeischen Laendern eine positive Bilanz in den 90ern (siehe Win rate, Remis zaehlen als halbe Siege). Deutschlands Bilanz im selben Zeitraum ist negativ gegen Italien, Spanien, Frankreich, Oesterreich und Jugoslawien. Goalimpact sieht Italien aber deutlich hinter Deutschland ueber den gesamten Zeitraum, uebrigens auch wahrend der Zeit, als fast alle deutschen Weltmeister in Italien spielten.
    Gut, man koennte argumentieren, die Bundesliga sei ausgeglichener als die Serie A, das stimmt wohl zu einem gewissen Grad, kompensiert aber das generelle Leistungsgefaelle meiner Meinung nach nicht.

    Beispiel2: Deutschland/Spanien in den 00ern:

    Spanien dominiert dieses Jahrzeht deutlich in Clubelo, vor allem auch in der Breite. Das liegt daran, dass gegen Teams aus allen anderen Laendern mehrheitlich gewonnen wird, gegen Deutsche mit 61% (!)in 79 Spielen. Der Mythos, in Spanien gaebe es nur zwei gute Teams ist nur in der juengeren Vergangenheit (Barcelona seit 2009, Real Madrid seit 2010) berechtigt. In den 2000er Jahren war die Primera Division sehr ausgeglichen, viel ausgeglichener als die Premier League uebrigens. Das kann man an der Punktverteilung in Abschlusstabellen leicht ueberpruefen.
    In Deutschland reden wir hier ueber das Jahrzehnt des Rumpelfussballs, mit so gut wie keinen internationalen Titeln und einer negativen Bilanz im Europapokal gegen Spanien, Italien, England, Frankreich, Ukraine und Griechenland. Goalimpact hat Spanien trotzdem weit hinter Deutschland.

    Die These, dass in Deutschland die Plaetze 4-17 sehr nah beeinander sind, ist im Jahr 2013 sicherlich richtig. Fuer die letzten beiden Jahrzehnte gibt es dafuer aber keinen Anhaltspunkt, ueber die Ausgeglichenheit habe ich gerade das hier ergooglet, da ist Deutschland im Mittelfeld (1994-2010 betrachtet).

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    1. Tery Whenett Beitragsautor

      Wow, danke für den vertiefenden Kommentar und die Konkretisierung der Unterschiede zwischen ClubElo und Goalimpact.

      Mich würde ja nachwievor interessieren, ob die Unterschiede bei gleicher Datenbasis (wie auf Twitter vorgeschlagen) bestehen bleiben. Wird der Versuch unternommen?

      Grüße Tery

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  2. Lars

    Da liegt ein kleines Missverstaendnis vor. Das mit dem gleichen Zeitraum und der Ligentiefe bezieht sich nicht auf die beiden Modelle sondern auf die Vergleichbarkeit zwischen Ligen innerhalb eines Modells.

    Meine Vermutung ist, dass die Vergleichbarkeit erschwert wird, wenn aus einem Land mehr Daten vorliegen als aus einem anderen.

    Ganz einfaches Beispiel: Wenn in Deutschland alle Jugendligen und Unterklassigen Ligen dabei sind, dann kommen die neuen Bundesligaspieler schon mit einem erhoehten Goalimpact in die Bundesliga, bevor sie ein Spiel gemacht haben. Wenn dagegen in Spanien nur die Primera Divsion beruecksichtigt wird, ist ueber Neuzugaenge und Jugendspieler wenig bekannt und sie werden nicht so stark eingeschaetzt.

    Das ist aber nur Spekulation, ich weiss nicht genau, wie Goalimpact diese Probleme im Detail genau angeht und wie weit die Daten zurueckgehen. Ueber meine gibt es diese Uebersicht.

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