Warum Dutt in Bremen nicht gescheitert ist. Oder: scheitern musste.

Null Siege, vier Punkte aus neun Spielen, Tabellenletzter. Nicht wenige Vereine entlassen in einer solchen Situation den Trainer, zumal nach einem zum Endspiel ausgerufenen und dann verlorenen Spiel gegen einen schlagbaren Gegner. Auch Werder Bremens Führungsetage gehorchte gestern den vielzitierten Regeln des Geschäfts und beurlaubte seinen Übungsleiter Robin Dutt. Dieser war vor Beginn der letzten Saison angetreten, das Erbe der Ära Schaaf anzutreten, deren Hochzeit längst verklungen war. Nach einem hochemotionalen Klassenerhalt sollte es der unglückliche DFB-Sportdirektor also richten – und es ließ sich gut an. Nach (zugegebenermaßen frühen) drei Spielen war bereits eine Handschrift zu erkennen und so ließ ich mich damals zu der Aussage hinreißen, dass die Liaison zwischen Dutt und Bremen eine neue Ära begründen könnte. Zugegeben – die Prognose ist nicht mehr zu retten, dennoch gibt es Anzeichen, dass Dutt in Bremen nicht gänzlich gescheitert ist …

Ein erstes Indiz dafür fand mich vorgestern auf Twitter:

In der vergangenen Saison erreichte Werder Bremen einen relativ sicheren 12. Tabellenplatz mit schlussendlich 12 Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz. Dies mag bei der von internationalem Glanz beschienenen Vergangenheit der Bremer zwar wenig erfolgreich anmuten, ist angesichts des knappen Klassenerhaltes im Jahr zuvor aber nicht selbstverständlich. Trotzdem hat Dutt den schlechtesten Punkteschnitt aller Trainer mit mehr als 10 Spielen Verantwortung – mickrige 1,02 Punkte holten die Werderaner unter ihm im Schnitt.

Zu schlecht für die Bundesliga?

Dass in dieser Saison ein weiterer Einbruch erfolgte, ist nicht abzustreiten – diesen aber (allein) dem Trainer anzuhängen, verstellt den Blick auf tieferlegende Probleme. Größtes – und naheliegendstes – ist wohl die verfehlte Transferpolitik der letzten Jahre. War sie vormals noch Garant für ein Abonnement auf die Champions League, zeigte sich bald, wie fragil das Gebilde war. Micoud, Diego, Özil als prominenteste Vertreter der goldenen Jahre fanden keine geeigneten Nachfolger mehr. Ob Carlos Alberto, Wesley, Arnautovic oder Mehmet Ekici – niemand konnte die großen Fußstapfen seiner Vorgänger füllen. Mit dem Qualitätsverlust kam der sportliche Abstieg, und mit dem Verlust der Millionen aus dem internationalen Wettbewerb ging weiterer Qualitätsverlust einher. Jörg Seidel (Goalimpact) illustriert den Prozess sehr detailliert. Man kann also (überspitzt) sagen, dass Robin Dutt es geschafft hat, trotz stetig sinkender Qualität zumindest in der Bundesliga zu bleiben; auch wenn das kein Erfolg ist, den er sich auf die Visitenkarte schreiben wird.

Kurswechsel an der Weser

Das Fazit, zu dem Jörg Seidel in seiner Kaderanalyse kommt, ist indes vernichtend: „Mit der aktuellen Mannschaft würde Werder sogar um den Verbleib in Liga 2 bangen müssen, falls sie tatsächlich absteigen.“ Ob sie das in Bremen genauso einschätzen, weiß ich nicht – allerdings wurde unter der Woche in der Führungsetage des Vereins ein bemerkenswerter Personalwechsel vollzogen. Willi Lemke, langjähriger Vorstandsvorsitzender und ehemaliger Manager von Werder, wurde durch den ehemaligen Nationalstürmer Marco Bode ersetzt. Dies ist keine Verjüngungskur, sondern ein handfester Kurswechsel. Lemke war in den letzten Jahren mehrfach dafür verantwortlich, dass Investitionen in den Kader ausblieben. Im Abwägen von wirtschaftlichem und sportlichem Risiko dürfte die Waage nun anders ausschlagen. Neues Geld soll in den Kader gesteckt werden, um den sportlichen Super-GAU, den Gang in die 2. Liga, abzuwenden.

Damit begibt sich Bremen auf gefährliches Terrain. Sollten die mutmaßlichen Neuzugänge (die ohnehin erst im Winter kommen können) nicht zünden, könnte zu einer handfesten sportlichen, eine handfeste finanzielle Schieflage dazukommen. Ich hoffe, dass diese meine Bedenken in einem Jahr als ebenso unbegründet dastehen wie meine Prognose einer Ära Dutt von vor einem Jahr heute. Denn immerhin hat man Handlungsbedarf erkannt und sieht ihn nicht mit dem Übungsleiterwechsel erschöpft.

 

Bild: DerFalkVonFreyburg [CC 3.0], via Wikimedia Commons

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